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segunda-feira, 14 de maio de 2012

GEGEN WITTGENSTEINS PRIVATSPRACHE-ARGUMENT

This paper was published for the first time in Prima Philosophia, Band 10, Heft 4, 1997, pp. 433-448.



                               DAS PARADOX DER PRIVATEN ERFAHRUNG
                                                                                    Claudio F. Costa


 Abstract:
In this paper, arguments are set up to show that Wittgenstein's argument against the possibility of a private language is intended to prove more than it actually does. If these arguments are correct, Wittgenstein's reflections are far from having the devastating effects against the basis of the traditional (and part of the actual) philosophy of mind that it is intended to have, and would not require the problematic theoretical way out that has been suggested by Wittgenstein and developed by others. As result of this examination an alternative way of treating the relation between mental events and their names is sketched, according to which our common linguistical knowledge of our mental events can be accepted as grounded on probable and logically verifiable hypothesis.

   Wittgensteins Anmerkungen über die Unmöglichkeit einer Privatsprache  wurden schon auf sehr unterschiedliche Weise zur Form eines Arguments zusammengestellt. Ich will auf eine mühsame und wenig aufschlußreiche  Auseinandersetzung mit diesen Interpretationen verzichten, denn es geht  hier eher um den Versuch, mittels einer kritischen Betrachtung von Wittgensteins Andeutungen, ein bischen mehr Licht in das verwirrende Problem des sprachlichen Bezugs auf mentale Zustände zu bringen. Meine argumentative Strategie besteht zunächst in der Aufstellung einer plausiblen und kohärenten Rekonstruktion der zentralen Einsicht. Diese Rekonstruktion läßt sich insbesonders durch die Relevanz ihrer Folgerungen rechtfertigen, nämlich indem durch sie deutlich gemacht wird, wie ein solches Argument, falls richtig, das geläufige Verständnis der Funktionsweisen unserer mentalistischen Sprache und damit auch die ganzen Grundlagen der traditionellen Philosophie des Bewußtseins zerstört. In einem zweiten Schritt wird, anhand von Gedankenexperimenten, der in den Voraussetzungen des Arguments enthaltene Grundfehler aufgezeigt. Schließlich wird als Ergebnis der Diskussion eine alternative und intuitiv einleuchtendere Erklärung für den Bezug auf mentale Zustände in unserer mentalistischen Sprache skizziert, welche mit unserem intuitiven Verständnis der Funktionsweisen der mentalistischen Sprache und mit einer Philosophie des Bewußtseins verträglich ist.


1) ÜBER DIE PRINZIPIELLE UNMÖGLICHKEIT
EINER PRIVATSPRACHE
Wittgensteins Argument gegen eine Privatsprache besteht in der Tat in einem Bündel mehr oder weniger miteinander verbundener Argumente. Ich werde mich hier auf die Analyse des ausschlaggebenden Kerns des Arguments beschränken, wonach die logische Unmöglichkeit einer Privatsprache nachweisbar zu sein scheint; denn es ist die Übertragung genau dieses Ergebnisses auf unsere mentalistische Sprache, die sich auf traditionelle Auffassungen eines introspektiven Zugangs zum Mentalen am meisten zerstörerisch auswirkt.
    Unter der Voraussetzung, daß eine Sprache eine von Regeln vermittelte Tätigkeit ist, kann eine Privatsprache als eine solche definiert werden, die die beiden folgenden Bedingungen erfüllt (vgl. PU 243):

    (a)  Ihre Wörter beziehen sich ausschließlich auf unmittelbar erfahr-
          bare mentale – Vorgänge des Sprechers (wie z.B. seine Empfin-
          dungen).
    (b)  Die semantischen Regeln dieser Sprache – und damit  auch  die
          Bedeutungen (Verwendungsweisen) ihrer Wörter – werden  aus
          der unmittelbaren Bekanntschaft mit jenen mentalen Vorgängen
          gewonnen.

     Da die Bedeutung der Wörter in dieser Sprache ausschließlich aus der Bekanntschaft mit mentalen Vorgängen gewonnen wird, die nur der Sprecher selbst haben kann, werden sie auch nur von ihm verstanden, Grund warum sie eine 'Privatsprache' genannt wird.
     Für unserer Argument ist angemessen zu merken, daß die Privasprache hier nicht definitorisch als etwas notwendigerweise privat konzipiert wird, nämlich, als etwas, das prinzipiell nicht öffentlich gemacht werden kann: es folgt nicht aus ihrer Definition allein, daß sie in allen möglichen Welten einen intersubjektiven Zugang auschließt. Ihre logische bzw. notwendige Privatheit soll folgen, wie wir noch sehen werden, aus den definitorischen Bedingungen (a), (b) und aus der Voraussetzung, daß mentale Vorgänge, aufgrund ihrer eigentlichen Natur, nicht intersubjektiv zugänglich gemacht werden können.
     Dagegen könnte man die Ansicht vertreten, daß eine notwendige Privatheit doch zur Definition der Privatsprache gehören könnte, daß eine Bedingung (c)  im Form einer bloß konventionelen Definition eingeführt werden kann, wonach diese Sprache die Intersubjektivität notwendigerweise ausschließt. Das war aber nicht Wittgensteins Absicht, wie wir später sehen werden. Dieser Zusatz würde allerdings Wittgensteins Argument trivialisieren, denn seinen Witz besteht nur darin, daß sein Ergebnis – der Schluß, daß eine Privatsprache nicht möglich ist – auf die traditionelle Auffassung unserer mentalistischen Sprache übertragen wird. Aber durch die Einführung von (c) wäre diese Übertragung nicht mehr ohne weiteres möglich, da unsere mentalistische Sprache – obwohl privat – von uns nicht aufgrund willkürlicher Entscheidung als etwas privat angesehen wird: ihre notwendige Privatheit wird erst aus der Voraussetzung geschlossen, daß mentale Vorgänge, aufgrund ihrer eigenen Natur, nicht intersubjektiv teilbar sein können – eine von Wittgenstein aufgenomene Voraussetzung, die, will ich zeigen, falsch ist.
     Mit dem letzten Absatz sind wir freilich zu weit gelaufen. Es ist besser, daß wir zunächst, anhand einer Darstellung des zentralen Arguments für die logische Unmöglichkeit der Privatsprache, den Weg fürs deutlichen Verständnis vorbereiten. Dieses Argument kann entwickelt werden, indem gezeigt wird, daß bereits der Versuch eine solche Sprache zu konstruieren mißlingt. Stellen wir uns also vor, ähnlich wie Wittgenstein im Abschnitt 258 der Philosophischen Untersuchungen, daß jemand die Wiederkehr einer gewissen Empfindung ohne Rückgriff auf unsere öffentliche Sprache in seinem Tagebuch notieren möchte. Er bezeichne die Empfindung mit dem Symbol 'X' und notiere dieses Symbol immer dann, wenn er meint, die gleiche Empfindung zu haben. Hier entsteht eine Schwierigkeit. Da er keine beschreibende Definition der Empfindung geben kann - denn das würde den Rückgriff auf die Alltagsprache verlangen -, müßte er sich mit einer hinweisenden Definition begnügen. Aber wie sähe eine solche Definition in diesem Fall aus? Um eine hinweisende Definition zu geben, zeigt man normalerweise auf den definierten Gegenstand. Auf eine private Empfindung kann aber nicht gezeigt werden. Nun scheint es - so lautet das Argument -, daß der Privatsprecher immerhin seine Aufmerksamkeit auf die Empfindung konzentrieren könnte, um sich eine Verbindung zwischen dem Zeichen und der Empfindung - was ich die Bezeichnungsregel des Zeichens nenne - innerlich einzuprägen. Er könnte dadurch die Empfindung, falls sie wiederkehrt, identifizieren und ihre Wiederkehr in seinem Tagebuch notieren, wie das folgende Schema veranschaulicht:

                 notierte Zeichen:           'X'      'X'      'X'      'X'...   
                Verwendungen der
                Bezeichnungsregel:         R       R        R        R...
                                                                               
                Gleiche private                     ?        ?         ?            
                Empfindungen:               x   =   x   =   x   =   x...   

     Die Schwierigkeit ist damit jedoch noch nicht beseitigt, denn auch das Einprägen der Verbindung zwischen Zeichen und Empfindung, der Bezeichnungsregel also, ist in diesem Fall nicht möglich. 'Einprägung' bedeutet ja einfach, daß man sich in Zukunft an die gleiche Verbindung erinnert. Wie kann man aber wissen, daß die erinnerte Verbindung wirklich die gleiche Empfindung involviert wie die aktuelle? daß also die aktuelle Verbindung die richtige ist?1 Daß die Bezeichnungsregel also, richtig angewendet wird? Die Richtigkeit ihrer Anwendung zu rechtfertigen, hieße, an eine unabhängige Instanz zu appellieren, die hier nicht gegeben ist (PU 265). Richtig, schreibt Wittgenstein, ist hier nur, was jemandem richtig erscheint, "und das heißt nur, daß hier von 'richtig' nicht geredet werden kann" (PU 258). Es wäre in der Tat möglich, daß der zeichnete mentale Vorgang stets ein anderer ist, ja, daß er nie wieder vorkommt, ohne daß der Privatsprecher es merkt!
     Wittgenstein bemerkte auch, daß in diesem Fall kein Kriterium für die Richtigkeit (Gleichheit) der Verbindung oder der Regel(verwendung)2 geschaffen werden kann (PU 258). Unter einem Kriterium der Richtigkeit der Verwendung einer Regel ist ein intersubjektives Prüfungsverfahren zu verstehen. Diese Möglichkeit ist aber hier nicht vorhanden. Das wird am deutlichsten, wenn wir Wittgensteins Beispiel mit dem völlig unproblematischen Fall vergleichen, in dem eine Regel, die Zeichen mit konkreten Gegenstandsformen verbindet, überprüft wird. Angenommen, ein Kind lernt die Verbindung zwischen dem Wort 'Kugel' und entsprechenden kugelförmigen Gegenständen. Für die Überprüfung der Richtigkeit der Verwendung dieser Bezeichnungsregel gibt es sehr wohl geeignete Kriterien. Andere Sprecher können z.B. in konkreten Sprechsituationen das Kind fragen, ob eine Kugel da ist oder nicht usw. Wenn das Kind richtig antwortet, dann ist offensichtlich, daß es die Bezeichnungsregel des Wortes 'Kugel' richtig gelernt hat; seine Beherrschung oder seine Kenntnis der Regel hat die intersubjektive Prüfung bestanden. Ganz anders sähe es aber im Fall der Bezeichnung mentaler Vorgänge in einer Privatsprache aus. Diese Vorgänge sind privat. Die Regeln einer Privatsprache entziehen sich einer intersubjektiven Prüfung und somit können wir nicht wissen, ob sie überhaupt Regeln sind oder bloß Eindrücke von Regeln. Schließlich, vermag uns auch das Gedächtnis hier  nicht weiterzuhelfen, denn das Gedächtnis könnte nur dann als Begründungsbasis dienen, wenn wir die mentalen Vorgänge durch ihre Verbindung mit externen, nachprufbaren Tatsachen gewährleisten können, was in diesem Fall nicht möglich ist (PU 265).
    Wir können Wittgensteins Gedankengang etwa in seinen Worten folgendermaßen zusammenfassen: da der Glaube, daß eine Regel verwendet wird, keine Regelverwendung festigt, und da bei der Verwendung der Regeln in einer Privatsprache nur an einen solchen Glauben appelliert werden könnte, ist eine Privatsprache unmöglich (vgl. PU 202).
    Gegen einen solchen Schluß ist der folgende Einwand möglich. Es wurde in der Tat bewiesen, daß wir nicht wirklich wissen können, ob die Verbindung zwischen dem Zeichen 'X' und der Empfindung richtig ist; denn Wissen im stärksten, vielleicht sogar im eigentlichen Sinne des Wortes, müßte etwas sein, das die Bedingung intersubjektiver Überprüfbarkeit erfüllt. Wir können also kein Wissen, im Sinne eines intersubjektiv überprüfbares Erkennen der Richtigkeit der angeblichen Bezeichnungsregeln einer Privatsprache erhalten; wir können nicht wissen, ob sie tatsächlich Regeln sind oder nicht, ob also die Sprache, die auf ihnen beruht, existiert oder nicht. Das ist jedoch alles, was Wittgensteins Argument leistet. Es zeigt nicht darüber hinaus, daß eine Privatsprache prinzipiell unmöglich ist, da eine Sprache, die auf privaten Regeln beruht, auch dann existieren kann, wenn eine intersubjektive Überprüfung ihrer Existenz nicht gegeben werden kann. Also: es kann wohl sein, daß es eine Privatsprache gibt, und sogar, daß eine regelgeleitete Bezugnahme auf private Vorgänge einen Bestandteil unserer Alltagssprache ausmacht, auch wenn wir auf eine anschließende Weise nicht wissen können, ob sie wirklich existiert.
      N. Malcolm hat bei Wittgenstein selbst die Antwort auf einen solchen Einwand gefunden3. Er bemerkt, daß der Einwand für Wittgenstein deshalb unberechtigt wäre, weil zu sagen, daß private Regeln existieren können, ohne daß sie öffentlich überprüft werden könnten - d.h. ohne, daß wir wirklich wissen können, ob wir ihnen folgen - hieße, nur eine scheinbare Behauptung aufzustellen. Als solche liefert uns dieser Einwand ein Bild ohne Verwendung; so, wie in der Behauptung, daß es vielleicht 5 Uhr auf der Sonne ist (PU 348-353). Zu sagen, daß eine Privatsprache vorhanden sein kann, ohne daß uns die logische Möglichkeit gegeben wird, es zu wissen, ist dasselbe wie eine vollig unverifizierbare Aussage behaupten zu wollen. Diese Aussage ist, um Wittgensteins Metapher zu gebrauchen, wie das Rad in der Maschine, das man drehen kann, ohne daß sich anderes mitbewegt - es scheint nur zum Mechanismus zu gehören (PU 221).
     Dieses Argument bedarf einer Präzisierung, denn es legt sich nicht auf das Ausmaß der Nichtkorrigierbarkeit der privaten Regeln, der Unmöglichkeit ihrer Kenntnis fest. Nehmen wir einmal an, daß wir nur aus kontingenten Gründen die private Regel nicht überprüfen können, daß wir also mindestestens prinzipiell wissen könnten, ob wir ihr richtig folgen. In diesem Fall wäre Wittgensteins Argument ungültig, da unsere Behauptung ein durchaus anwendbares Bild liefern würde: es scheint uns eher selbstverständlich, daß jeder Mensch eine Regel für sich schaffen kann und sie privat anwenden, sofern es ihm mindestens möglich ist, die Korrektheit dieser Anwendung gelegentlich intersubjektiv zu gewährleisten (ich kann wohl für mich allein z.B. die Regel festsetzen, daß ich von nun an um 6 Uhr morgens aufstehen werde, und ich kann es tun, auch wenn anderen Menschen es niemals überprüfen, vorausgesetzt, daß sie es tun können). Damit das Argument stichhaltig bleibt, muß vorausgesetzt werden, daß die Anwendung der privaten Bezeichnungsregel - der Verbindung zwischen dem Zeichen und einem privaten Vorgang also - nicht nur aus praktischen, kontingenten Gründen, sondern auch logisch unkorrigierbar ist. Dafür muß aber angenommen werden, daß es logisch unmöglich ist, daß ein anderer direkten Zugang zum Geist eines Privatsprechers hat, so daß er wissen könnte, ob der Privatsprecher seinen mentalen Vorgang richtig mit dem für ihn geprägten Zeichen bezeichnet hat oder nicht.
    Die Annahme, daß ein anderer meinen mentalen Vorgänge aus prinzipiellen Gründen nicht miterfahren kann, ist kein willkürlicher Zusatz von mir. Sie wurde in der Tat von Wittgenstein und die meisten sprachanalytische Philosophen seiner Zeit aufgenommen. Zu ihr gelangt man leicht anhand einer Betrachtung von Beispielen wie das folgende, das ich dem Blue Book entnehme4: Angenommen, die Nerven des Arms eines anderen Menschen wären mit den Nerven meines Arms so verbunden, daß, wenn z.B. meine Hand eine Verbrennung erleidet, der andere ebenfalls Schmerzen empfindet. Würde er dann nicht meine Schmerzen empfinden? Keinesfalls. Was er fühlt, sind seine eigenen Schmerzen und nicht meine; er fühlt sie lediglich in meinem Arm. Nur der Schmerzort ist also derselbe, nicht jedoch die Schmerzen, die stets privates Eigentum des schmerzempfindenden Subjekts bleiben. Die prinzipielle Privatheit der Empfindungen ist für Wittgenstein eine grammatische Feststellung. Und nicht nur für ihm. Eine solche Unteilbarkeit und unvermeidbare Subjektivität von Erlebnissen wurde schon viel früher von G. Frege festgestellt, als dieser bemerkte, daß, auch wenn das Netzhautbild im Auge eines Menschens von einem anderen gesehen würde, die unmittelbare Vorstellung davon doch immer als die eigene, subjektive Vorstellung, erfahren wird5. Auch andere einflußreiche Philosophen haben darauf hingewiesen. So, J. A. Ayer gibt es zu bedenken, daß sogar bei der Annahme eines Phänomens wie Gedankenübertragung offenkundig ist, daß, über die mentalen Vorgänge eines anderen telepathisch informiert zu werden, nicht dasselbe ist, wie diese Vorgänge mit ihm zu teilen6. Und verallgemeinernd ist P. S. Strawson zu dem Schluß gekommen, daß, da die Identität mentaler Zustände von der Identität der Person, die sie erfährt und äußert, abhängig ist, es logisch unmöglich ist, daß eine Person den mentalen Zustand einer anderen Person haben könnte7. Eine solche Verallgemeinerung, die wir als das Prinzip der logischen Unteilbarkeit des Mentalens (LUM-Prinzip) nennen werden, könnte als der folgende logisch-grammatische Grundsatz aufgestellt werden:

      LUM-Prinzip: Auch, wenn andere Subjekte Zugang zu den men-
      talen Vorgänge eines Subjektes S haben könnten,  würden sie sie
      immer noch als ihre eigenen mentalen  Vorgänge  erfahren,  und
      nicht so, wie sie bei S eigentlich erfahren sind.

     Genau das scheint der ultimative Grund zu sein, warum - im Rahmen der traditionellen Auffassung des Bezugs auf Mentales - unsere mentalen Vorgänge aus logisch-grammatischen Gründen nicht intersubjektiv zugänglich sind; sie sind ihrer Natur wegen privat.
     Betrachten wir nun ein letztes Mal das Problem der Regeln einer Privatsprache unter der unterstellten Voraussetzung, daß die Anwendung derselben, wegen des LUM-Prinzips, aus logischen Gründen unkorrigierbar wäre (daß die Regeln selbst also logisch privat sind), so kommen wir zu folgender Umformulierung von Malcolms Antwort:
    Da die Anwendung der Bezeichnungsregeln für Mentales aus logischen Gründen unkorrigierbar ist, können wir auch aus logischen Gründen nicht wissen, ob es sich wirklich um Regeln handelt. Es macht aber keinen Sinn zu sagen, daß etwas existieren kann, wovon wir keinesfalls wissen können, ob es wirklich existiert. Eine Hypothese gilt als solche nur dann, wenn sie zu Wissen gemacht werden kann. Genau diese Eigenschaft fehlt aber der Hypothese, daß es eine private Sprache gibt; denn diese Hypothese entzieht sich der logischen Möglichkeit einer intersubjektiver Verifikation. Zu sagen, daß es eine Privatsprache geben kann, obwohl wir aus kontingenten Gründen nicht wissen können, ob es sie gibt, wäre noch sinnvoll; aber zu sagen, daß es sie geben kann, obwohl wir auch prinzipiell nicht wissen können, ob es sie gibt, heißt, etwas nur scheinbar Sinnvolles zu behaupten.
      Das Argument gegen die logische Möglichkeit einer Privatsprache bleibt also stichhaltig, aber nur insofern das LUM-Prinzip, wonach das, was jemand unmittelbar erfährt, aufgrund ihrer eigenen Natur, nicht intersubjektiv teilbar ist, als notwendiger Bestandteil der dadurch widerlegten traditionellen Auffassung des Bezugs auf mentale Vorgänge angenommen wird8.


2. DIE UNERWÜNSCHTE FOLGERUNG UND
WITTGENSTEINS LÖSUNGSVERSUCH
Wenn wir dieses Ergebnis akzeptieren, läßt sich prima facie eine weitere und schwerwiegende Überlegung daran anknüpfen.
     Was dem besonderen Fall der Privatsprache entnommen wurde, gilt auch für denjenigen Teilbereich unserer Alltagsprache, in dem wir uns auf unsere mentalen Vorgänge in der ersten Person beziehen. Da wir eigentlich nur durch private Bezeichnungsregeln auf unsere mentalen Vorgänge Bezug nehmen könnten, und da solche privaten sprachlichen Regeln prinzipiell unmöglich sind, kommen wir zu dem paradoxalen Schluß, daß wir über unsere privaten mentalen Vorgänge nicht wirklich reden können. Welchen Sinn hat dann aber noch unsere mentalistische Sprache? Welchen Sinn haben Wörter wie 'Schmerz', 'Freude',  'Willen', 'Denken'...? Radikale Behaviöristen haben somit den Schluß gezogen, daß wir uns in Wirklichkeit gar nicht auf innere Vorgänge beziehen, sondern daß es nur so scheinen würde. In Wirklichkeit bezieht sich demnach unser gesamtes mentalistisches Vokabular nur auf Verhalten und Verhaltensdispositionen. Das Wort 'jucken' z.B. würde, wenn nicht auf den Vorgang des Kratzens deuten, auf die Tatsache, daß man sich unter etwas anderen Umständen doch kratzen würde!
    Wittgenstein selbst lehnte solche radikalen behavioristischen Auffassungen ab (PU 305-8); er hielt es vielmehr für eine Selbstverständlichkeit, daß wir in der Alltagsprache über mentale Vorgänge sprechen. Keineswegs wollte er – etwa wie die logischen Behaviöristen – die mentalistische Sprache auf eine behaviöristische Sprache reduzieren wollen.
    Sein zentraler, alternativer Lösungsvorschlag läßt sich folgendermaßen skizzieren: Die Verbindung zwischen dem Namen und der von ihm benannten Empfindung ist in unserer Alltagsprache gegeben. Sie wird aber stets anhand von äußeren Verhaltenskriterien bestimmt (PU 244, 580). Das zeigt sich, wenn wir uns überlegen, wie wir unser mentalistisches Vokabular tatsächlich lernen. Wie z.B. lernt man die Bedeutung des Wortes 'Schmerz'? Eine Möglichkeit ist, schreibt Wittgenstein, daß Worte mit dem ursprünglichen, natürlichen Ausdruck der Empfindung verbunden und an dessen Stelle gesetzt werden. "Ein Kind hat sich verletzt, es schreit; und nun sprechen ihm die Erwachsenen zu und bringen ihm Ausrufe und später Sätze bei. Sie lehren das Kind ein neues Schmerzbenehmen." (PU 244) Die naheliegende Idee ist also, daß das Lernen der Bedeutung mentalistischer Ausdrücke aus zwei Schritten vonstatten geht:

       (i) Verhaltensweisen drücken  mentale  Vorgänge  auf   natürliche
            Weise aus;
      (ii) indem jene Verhaltensweisen  von mentalistischen Ausdrücken
           ersetzt werden, werden auch diese zum Ausdruck mentaler Vor-
           gänge.

     Das heißt nun nicht, daß mentalistische Wörter nur gewisse Verhaltensweisen bedeuten; denn damit würde ja die behaviöristische Verneinung des Mentalen wiederaufgenommen. Vielmehr wird davon ausgegangen, daß die Verhaltensweisen Ausdrücke von mentalen Vorgängen sind, daß sie also als gewährleistende äußere Kriterien für diese Vorgänge angesehen werden können. Die "inneren" Vorgänge sind irgendwie "logisch angeheftet" an ihre behaviöralen Äußerungen; und dies läßt sich schließlich auch auf die sprachlichen Ausdrücke übertragen, die diese Verhaltensweisen ersetzen: sie werden damit auch zu grammatisch gültigen sekundären Kriterien für das Vorhandensein entsprechender mentaler Vorgänge. Unsere mentalistische Sprache ist somit nach dem Model einer öffentlichen Sprache konzipiert.


3. UNZULÄNGLICHKEITEN VON WITTGENSTEINS
LÖSUNGSVERSUCH
Wittgensteins skizzierte Lösung ist einfach, enthält jedoch schwerwiegende Mängel. Zunächst besteht nicht jede in der ersten Person aufgestellte Äußerung über Mentales aus Ausdrücken, die Verhaltensweisen ersetzen. Im Gegenteil: auch in der ersten Person ist unsere mentalistische Sprache weitgehend intentional in dem Sinne, daß es sich meist eben nicht um unmittelbare Ausdrücke mentaler Vorgänge handelt, sondern um bewußte Beschreibungen derselben. Dies zeigt sich am deutlichsten, wenn diese Vorgänge bereits nicht mehr vorhanden sind. Wenn also jemand z.B. zu einem Arzt geht und über seine wiederkehrende Migräne berichtet, so gilt dieser Bericht nicht als Ersatz von "Ahs und Wehs", sondern als eine auf das Gedächtnis gestützte Beschreibung.
     Zweitens muß die Frage gestellt werden, welche Art von Verbindung zwischen dem Kriterium und dem entsprechenden mentalen Vorgang besteht. Um der Klahrheit willen will ich sie hier mit Hilfe des Wahrscheinlichkeitsbegriffes beantworten. Unter dieser Perspektive gibt es nur zwei mögliche Antworten: entweder hat eine Verbindung (innerhalb eines Begriffsystems) die Wahrscheinlichkeit = 1, und ist somit als notwendige oder logisch-begriffliche Verbindung zu betrachten, oder sie hat eine Wahrscheinlichkeit kleiner als 1 (und grosser als 0) und ist somit kontingent. Die zweite Möglichkeit ist hier aus dem folgenden Grund ausgeschlossen: Wenn eine charakteristische Verhaltensweise oder ein sie ersetzender sprachlicher Ausdruck nur mit Wahrscheinlichkeit mit dem entsprechenden mentalen Vorgang verbunden wäre, würde dasselbe Problem wie bei der Festlegung der Verbindung zwischen dem privatsprachlichen Zeichen 'X' und dem entsprechenden privaten Vorgang auftreten: Wir könnten aus logischen Gründen nicht intersubjektiv überprüfen, ob die Verbindung wahrscheinlich richtig, oder nur scheinbar wahrscheinlich richtig ist, was bedeutet, daß hier von wahrscheinlich richtig auch nicht die Rede sein kann! Da es nun keine alternative zwischen einem Wahrscheinlichkeitsgrad, daß (0 und) <1 und 1 gibt, muß also das Kriterium als ein definitorisches Kriterium, nämlich als ein notwendiges und hinreichendes Kennzeichen des mentalen Vorgangs aufgefaßt werden, und eine alternative Lösung dafür, trotz einige Proteste, bleibt ausgeschlossen9.
     Daraus ergibt sich anscheinend Folgendes: da die Verbindung logisch-begrifflich ist, muß der Begriff des mentalen Vorgangs aus dem Begriff des entsprechenden Verhaltens – bzw. aus dem ihn ersetzenden Ausdruck – analytisch ableitbar sein; ein Satz wie "Sich kratzen heißt, daß man Jucken hat", könnte als analytisch gelten, ähnlich wie der Satz "Eine Kugel ist ein räumlich ausgedehnter Gegenstand". So wie man bei der wirklichen Beobachtung einer Kugel schon aus begrifflichen Gründen weiß, daß sie räumlich ausgedehnt ist, weiß man, wenn man wirklich jemand sieht, der sich krätzt, ebenfalls aus begrifflichen Gründen, daß dieser Mensch der mentale Vorgang des Juckens hat. Die Beziehung zwischen einem Verhaltenskriterium und den entsprechenden mentalen Vorgang wird hier als eine Beziehung von logisch-grammatischen Notwendigkeit angesehen: Kriterien sind notwendige und hinreichende Bedingungen für mentale Vorgänge.
     Diese Auffassung ist aber unhaltbar. Sätze wie "Sich kratzen ist Kriterium für das Jucken", oder "Stöhnen und Hüpfen und Grimassen machen und... bilden das Kriterium des Schmerzes", drücken keinesfalls notwendige und hinreichende kriterielle Beziehungen. Wie Wittgenstein selbst zugab, gibt es in solchen Fällen kein für jede Situation gültiges Kriterium. Es können immer Situationen eintreten, bei denen die geistige Vorgänge vorhanden sind, aber ohne bestimmte verbundene Verhaltenserscheinungen (vgl. G. Ryles Schwierigkeit zu erklären, was „Le Penseur“ tut). Andererseits, es können auch immer Situationen eintretten, bei denen das Kriterium ist zwar da, aber als solches nicht gilt (z.B. wenn sich jemand verstellt).  Man könnte zwar vorschlagen, daß das Kriterium wenigstens in geeigneten Situationen definitorisch gilt (z.B.: "Das Schreien gilt als notwendiges Schmerzkriterium dann und nur dann, wenn es in einer Situation blutiger Verletzung vorkommt..."). Es bleibt jedoch die Schwierigkeit vorhanden, daß eine geeignete Situation auch nicht vollständig beschreibbar sein kann: es gibt unbegrenzt viele denkbare zusätzliche Faktoren, die eine angeblich geeignete Situation wieder ungeeignet machen würden (z.B. das Blut ist künstlich, es handelt sich um die Inszenierung eines Unfalls, usw). Wittgensteins Lösung der Schwierigkeit scheint aus dieser Sicht nicht nur lediglich partiell, sondern von Grund auf unzulänglich zu sein.

4. DER GRUNDLEGENDE FEHLER: DAS PRINZIP DER
LOGISCHEN UNTEILBARKEIT DES MENTALENS
Man kann zwar auf  Wittgensteins Lösungsversuch beharren; und es gibt eine umfangreiche kontroverse Literatur dazu10.
     Mein Ausweg aus der Schwierigkeit liegt jedoch in eine andere Richtung. Er besteht eher in einer Abschwächung der Konsequenzen von Wittgensteins Argument und ergibt sich aus einer erneuten Betrachtung des Beispiels der Anwendung einer privaten Bezeichnungsregel für das Zeichen "X". Die schwache Konklusion des Arguments - nämlich, daß wir nicht im stärksten Sinne wissen können, ob wir Bezeichnungsregeln für Mentales folgen, da die Befolgung solcher Regeln kontingenterweise nicht intersubjektiv geprüft werden kann – will ich nicht bestreiten. Den starken Schluß auf die Unmöglichkeit solcher Bezeichnungsregeln, das aus der logischen Unmöglichkeit ihrer intersubjektiven Überprüfung entsteht, halte ich hingegen für ungültig.
     Zunächst können wir - etwa wie H. Putnam in seinen Einwänden gegen den logischen Behaviorismus11, - wie folgt argumentieren.  Es gibt viele wissenschaftliche Annahmen, diesbezüglich die Rede von einer direkten Überprüfung von vornherein sinnlos ist. Viele physikalische Begriffe beziehen sich auf etwas, was für sich nicht beobachtbar ist; man stützt sich vielmehr auf die Beobachtung ihrer Folgerungen. So werden z.B. kinetische Energie, Zeit, Quarks, usw. anhand von beobachtbaren Phänomenen wie Wärme, regulären Bewegungen oder gewissen optischen Spuren festgestellt. Dasselbe würde auch für unsere mentalen Vorgänge gelten: Es läßt sich also nahelegen, daß auch bei mentalen Vorgängen die Forderung nach einer direkten intersubjektiven Überprüfung der auf sie bezogenen Sprachregeln unangemessen und von einer zu starken verifikationistischen Bedeutungsauffassung geprägt ist.
    Dieser Vergleich ist aber unvollkommen. Hinsichtlich des Bezugs von wissenschaftlichen Begriffskonstrukten wie kinetische Energie wäre es sinnlos, von direkter intersubjektiver Beobachtung zu sprechen. Mentale Vorgänge gehören jedoch zu einer etwas anderen Kategorie; denn gerade sie müßten doch direkt erfahrbare Vorgänge sein, mit dem einzigen Unterschied, daß ihre Beobachtung subjektiv und privat verläuft.
     Das Argument, das ich vorschlagen will, setzt die Ablehnung einer prinzipiell verifikationistischen Auffassung der Bezugnahme auf mentale Vorgänge nicht einfach voraus12. Es richtet sich gegen dem LUM-Prinzip. Es richtet sich gegen die Voraussetzung, daß wir unsere Bezugnahme auf eigene mentale Vorgänge aus logischen Gründen nicht intersubjektiv überprüfen könnten - daß diese Bezugnahme logisch privat ist.
    Wie kann diese alte sprachphilosophische Weisheit widerlegt werden? Am besten anhand von Vergleichen und radikalen Gedankenexperimenten. Ein kibernetischer Vergleichsfall wäre den von einen Roboter, der seine Schlüsse über die inneren Zustände eines anderen, gleichartigen Geschöpfes, zunächst anhand der Beobachtung dessen äußerlichen Verhalten zieht. Diese Schlüsse überprüft er später, indem er sie im Kernsystem des anderen (als ob es in ihm selbst wäre) direkt abliest. Obwohl dieser Akt des Ablesens ihm selbst angehört, wird das Abgelesene doch von beiden Roboter geteilt. Damit könnte auch das, was der zweiter Roboter in sich selbst abliest, durch den ersten überprüft werden. Anders als ihre Ablesungsverfahren sind also die im System programmierten Zustände selbst "intersubjektiv" erfaßbar – und es ist auch ganz vorstellbar, daß sogar die eigene Ablesungsverfahren könnten, durch den Aufbau von höheren, noch nicht überprüfbaren Akten des Ablesens, geteilt werden, usw. Eine "intersubjektive" Überprüfung ist also hier immer möglich, sofern die teilbaren inneren Zustände von dem unteilbaren Verfahren ihrer Ablesung immer abzukoppeln sind. Warum müßte es bei uns Menschen prinzipiell anders sein?
     Man kann sich auch auf fiktive Beispiele berufen, um die Denkbarkeit einer intersubjektiven Anteilnahme an mentalen Vorgängen unter Menschen nachzuweisen. Ich erinnere mich an einen Film mit dem Titel "All of me", von Steve Martin. In dieser Komödie wandert die Seele einer soeben verstorbenen Frau in den Geist ihres Rechtsanwaltes, so daß beide denselben Körper teilen müssen. Sie haben dieselben Sinne und werden wohl auch - in Form einer inneren Stimme - die Gedanken des jeweils anderen vernehmen, sofern dieser nicht schläft... Daher sehen sie sich auch gezwungen, Abmachungen über die Kontrolle des gemeinsamen Körpers zu treffen, usw. Auch wenn dieses Beispiel, aufgrund des problematischen Charakters des Seelenbegriffs sehr untauglich ist, bleibt die bemerkenswerte Tatsache, daß die im Film dargestellte Situation intuitiv sehr klar vorstellbar ist.
     Wir können aber auch wissenschaftlich vorstellbare fiktive Situationen ersinnen. Zu betrachten sei eine weitere Situation, die zeigen soll, daß mentale Vorgänge nicht notwendig als intern - im Sinne von "zum Ich (= Subjekt) gehörend" - aufzufassen sind, sondern auch als extern (objektiv) und dennoch mental. Dazu stellen wir uns vor, daß zwei Subjekte, A und B, nicht nur denselben Körper, sondern auch dieselbe subkortikale Schmerzzentren oder so etwas auf irgendwelche Weise teilen. Das ist nicht konkret vorstellbar, aber ich halte es für möglich, sogar für wahrscheinlich, daß im Zukunft etwas entsprechendes gegeben wird. Im folgenden werde ich dafür argumentieren, daß in einem solchen Fall, auch wenn jedes einzelne Subjekt, jedes Ich, seine eigene Schmerzerfahrung hat, der Gegenstand dieser Erfahrung – das, was sie verursacht, nämlich der eigentliche Schmerz (das der erfahrene Schmerz gleichkäme) – doch intersubjektiv geteilt wird. Es wäre also eine und derselbe Schmerz, der von mehr als einem Subjekt erfaßt wird.
      Man kann an dieser Stelle einwenden, daß es kein umgangsprachliches Kriterium für eine solche Unterscheidung zwischen der Schmerzerfahrung und dem Schmerz selbst – dem Schmerzgegenstand – gibt. Die Antwort ist, dass der umgangsprachliche Sinn des Wortes 'Schmerz' ist dafür zu undifferenziert. Da, wo die Ungangsprache nichts mehr leisten kann, darf man auf sie nicht mehr berufen. Außerdem, gängige Verfeinerungen des ungangsprachliches Sinnes, die aus unserem psychologischen und physiologischen Wissen resultieren, machen die erwähnte Kriterien faßbar. Dies zeigt sich, zum einen daran, daß Schmerzerfahrung ohne gewissen entsprechenden Schmerzgegenstände möglich zu sein scheint, z.B. wenn jemand ohne organische Ursache Schmerzen fühlt, sich dabei auch nicht verstellt, sondern wirklich darunter leidet, mit organischen Folgerungen usw. Es scheint andererseits ohne Zweifel vorstellbar, daß es Schmerz ohne Schmerzerfahrung gibt, z.B. wenn jemand mit Nadeln gestochen wird, dabei aber unter hypnotischer Suggestion steht und nichts fühlt. Eine Erklärung der hypnotischen Wirkung ist, daß damit kortikale Zonen, die für das Bewußtsein des Schmerzes zuständig sind, blockiert werden, auch wenn die eingentlichen subkortikalen Schmerzzentren, die für die Gefühlsfärbung des Schmerzes zuständig sind, aktiviert sind. Mit Berücksichtigung auf dieses Hintergrundwissen wäre befremdlich, wenn man nicht sagen dürfte: "Er ist sich seiner Schmerzen nicht bewußt". Ein ähnliches Beispiel wäre, wenn jemand bei einem chirurgischen Eingriff mit Hilfe von Akupunktur betäubt wird. (Eine Erklärung für die Wirkung der Akupunkturnadeln ist, daß bei der gleichzeitigen Reizung vieler verschiedener Stellen des Gehirnkortex die Reizung einer bestimmten Stelle nicht mehr gespürt wird. Auf ähnliche Weise läßt sich auch erklären, warum manschmal Menschen, die aufgrund ihres körperlichen Zustands eigentlich extrem starke Schmerzen haben müßten, nichts mehr fühlen.)
   Nun kann man fragen: Haben die Personen in allen diesen Fällen keine Schmerzen? Die Antwort lautet 'ja' und 'nein'. Sie hängt von dem intendierten Bezug des Wortes 'Schmerz' ab. Wenn mit 'Schmerz' (a) der erfahrene Schmerz gemeint ist, kann man nach dem geläufigen Sprachgebrauch sagen: "Nein: sie haben (fühlen) keinen Schmerz". Aber wenn mit 'Schmerz' (b) der Schmerzgegenstand, der eigentliche Schmerz, gemeint ist, kann man (mit Berücksichtigung auf neurophysiologisches Wissen) sagen: "Die in Schmerzzentren vorhandenen Schmerzreizungen erreichend die kortikalen Zonen nicht"; oder noch, psychologisch gesprochen: "Ja: sie haben Schmerzen, obwohl sie sich ihrer nicht bewußt werden; es sind Schmerzen, die sie nicht fühlen, nicht erfahren". Also: als erfahrene oder gefühlte Schmerzen sind sie nicht vorhanden; als die eigentlichen Schmerzen dürfen sie wohl existieren. Nun, auch wenn man zugestehen müßte, daß (b), der Schmerzgegenstand, intersubjektiv teilbar ist, was würde man sagen über (a), der erfahrene Schmerz? Eine Antwort wurde schon angedeutet, als wir den Beispiel mit dem Roboter eingefürt haben: wenn die private Erfahrung E von ihrer inneren, aber prinzipiell intersubjektiv Erfahrungsgegenstand Gi konkret abgekoppelt wird, und somit E als Gegenstand der Erfahrung angesehen wird, das heißt, daß E als der Erfahrungsgegenstand Gi‘ gestellt wird, welcher durch E‘ erfahren wird, und E‘ wird prinzipiell zur Gi“ usw. Sowohl Gi als auch Gi‘, Gi“... würden im Sinne von (b) als prinzipiell intersubjektiv zugänglich aufgefaßt. Das folgende Schema illustriert diese Betrachtungsweise:

                                (...)
                                 E“... Gi“
                                          E‘... Gi‘  
                                                  E... Gi       
                                                        (Eo... Go)

   Hier E‘ = Gi“, E = Gi‘, Eo = Gi, und Eo ist der Erfahrungsgegenstand Gi als Erfahrung betrachtet, falls er Abbild eines äußeren Erfahrungsgegenstandes Go ist. Für unserer Argument bleibt aber hinreichend, wenn uns die Möglichkeit der ersten Abkoppelung, zwischen E und Gi, zugestanden wird.
    Angesichts den vorigen Überlegungen liegt noch dem folgenden Einwand nahe: die übliche ungangsprachliche Verwendungsweise für den Ausdruck 'Schmerz' darf sich nicht durch theoretische und wissenschaftliche Kriterien und durch Hintergrundwissen, die aus unseren psychologischen und neurophysiologischen Erkenntnissen entstehen, weiter verzweigen! Aber warum nicht? Dies zu behaupten wäre ein bloßes Vorurteil, denn die umgangsprachlichen Bedeutungen schließen wissenschaftliche Erweiterungen nicht aus. In der Tat sind die Grenzen zwischen unseren umgangssprachlichen Gepflogenheiten und unserem wissenschaftlichen Sprachgebrauch unbestimmt und fließend, und verschieben sich zudem ständig zugunsten des letzteren.
     Wenn wir nun einen bestehenden Unterschied zwischen dem Schmerz und seiner Erfahrung anerkennen, was würde dann unsere Behauptung rechtfertigen, daß der Schmerzgegenstand für A und B ein und derselbe ist? Ich denke, auch dann verfügten wir über Identitätskriterien, die eine wesentliche Ähnlichkeit zu jenen aufweisen, mittels derer wir ermitteln, daß ein äußerer, konkreter Gegenstand oder Vorgang ein und derselbe ist und als solcher intersubjektiv erfahrbar ist.
    Um dies zu verdeutlichen, betrachten wir zunächst einige Kriterien, nach denen zwei Menschen A' und B' feststellen, daß sie denselben äußeren Vorgang, z.B. das Blinken eines Glühwürmchens in der Nacht intersubjektiv beobachten. Diese Kriterien sind:

    (i)  Unabhängigkeit vom Willen: das Blinken ist unabhängig vom Willen der Beobachter;
   (ii) Intersubjektive Lokalizierung: sowohl A' als auch B' können die raumzeitliche Position des Blinkens identifizieren;
   (iii)  Intersubjektive Feststellung von Veränderungen: Veränderungen in der Intensität des Blinkens, in seiner Frequenz oder in der Position werden von beiden Beobachtern gleichzeitig bemerkt.

    Mit der Erfüllung von (i) können A' und B' wissen, daß das Blinken objektiv ist; und mit der Erfüllung von (ii) und (iii) können beide auch wissen, daß das von ihnen beobachtete Blinken - bzw. das, was blinkt - dasselbe ist.
    Nun, auch der Schmerzgegenstand in unserem Experiment unterliegt ganz ähnlichen Bedingungen! Er erfüllt (i), denn er ist unabhängig von den Beobachtern (A kann bewußtlos werden, und der Schmerz ist immer noch da und wird von B gefühlt) - in diesem Sinne ist er objektiv; und er erfüllt (ii) und (iii), denn sowohl der Ort des Schmerzes als auch seine qualitativen und quantitativen Veränderungen werden gleichzeitig sowohl von A als auch von B erkannt -  er ist also derselbe. Damit verfügen wir also gleichsam über Kriterien für die Objektivität (Intersubjektivität) und die Identität des Schmerzvorgangs.
    Die Möglichkeit, Kriterien für den intersubjektiven Zugang zu Gegenständen mentaler Erfahrung zu finden, wird noch deutlicher, wenn wir hier an die Stelle des Schmerzes den Vorgang des Denkens setzen. (Dies ist nicht so unglaubwürdig, wenn wir an Berichte von Geistesgestörten denken, die die Gedanken anderer Menschen innerlich zu hören glauben...) Angenommen also, daß das zentrale Nervensystem der Personen A und B* auf eine solche Weise verbunden werden, daß B* die Denkvorgänge von A innerlich hört. B* weiß, daß diese Gedanken nicht zu seinem ich gehören, weil sie nicht von ihm erzeugt und gesteuert werden. B* weiß auch, daß diese Denkvorgänge von A sind, weil er A so gut kennt, daß er errät, welchen Inhalt dessen Gedanken haben würde, und weil er jene innere Stimme genau dann nicht mehr vernimmt, wenn A gerade nicht denkt (z.B. weil er bewußtlos wird); wenn andererseits A befragt wird, wird er über seine eigenen Gedanken dasselbe berichten, was B* von As Gedanken berichtet hat. Hier steht also B* dem Denkvorgang von A in ganz ähnlicher Weise gegenüber wie z.B. eine Handbewegung von A, die von B* gesehen wird: Beide sind öffentlich, insofern sie unabhängig von Bs* Willen sind und von A wie B* identisch beschrieben werden. Man sieht, daß, auch wenn Bs* Erfahrung von As Gedanken anders ist, ihn nichts daran hindert, diesen Gedanken als einen A angehörenden Gedanken intersubjektiv zu identifizieren.
   Wie verhalten sich diese Beispiele zu dem Grundsatz, wonach unsere mentalen Vorgänge, falls sie von anderen erfahren würden, noch immer aus logischen Gründen als deren eigene erfahren werden? Sie machen deutlich, daß der Grundsatz einen Fehlschluß enthält. Dieser Fehlschluß entsteht aus der mangelnden Berücksichtigung der schlichten, aber grundlegenden epistemischen Unterscheidung zwischen dem Gegenstand der Erfahrung und der Erfahrung selbst. Die Erfahrung selbst gehört aus logischen Gründen zum Subjekt - Erfahrung ist immer Erfahrung von jemandem. Der Erfahrungsgegenstand dagegen gehört selbst nicht zur Erfahrung, obwohl er auch einen inneren (zum Bewußtsein gehörenden) Erfahrungsgegenstand sein kann. Wenn es sich aber um die Erfahrung äußerweltlicher Gegenstände handelt, ist der Unterschied klar. Hier wird der Erfahrungsgegenstand meist auf zweierlei Weise gedeutet:

     (a)  Er wird üblicherweise als etwas  gedeutet,  daß zwar erfahren
           wird, aber von der Erfahrung selbst – als seine eigentliche Ur-
           sache –  vollig unabhängig sein muß,  und  wird  davon auch
           ganz abgekoppelt (z.B. der von mir beobachtete Stuhl).
     (b) Als etwas, das anders als seine Erfahrung ist, aber auch zur Be-
           wußtseinsphäre gehört  (z.B.  meine  Sinneserfahrungen  eines
           Stuhls, seine geistige Bilder usw.).

     Beiden Deutungen des Begriffes des Erfahrungsgegenstandes sind hier zulässig. Die Deutung (a) ist aber wichtiger. Sie entsteht aus dem rationalen unseres Ansatzes, demzufolge zur Grammatik des Erfahrungsbegriffes gehört, daß da, wo es Erfahrung gibt, auch eine davon unabhängige Ursache gegeben sein muß, ein davon unabhängiger Erfahrungsgegenstand; diese Unabhängigkeit des Erfahrungsgegenstandes von (a) ist nötig, sonst wäre die Erfahrung (wie etwa in Fichtes Spekulation) selbsterzeugend, was begrifflich nicht zulässig ist. Allerdings muß hier der Gegenstand von (a) in sich selbst gleich sein wie der von (b) (nur anders gestellt), um die Echtheit der Erfahrung zu sichern. Und der Gegenstand von (a) kann prinzipiell intersubjektiv zugänglich gemacht werden.
    Daß äußere Erfahrungsgegenstände normalerweise im Sinne von (a) zu deuten sind, erscheint uns allen als selbstverständlich. Anders scheint es zu sein bei inneren Vorgängen, da diese bereits von vornherein zur Kategorie des Mentalens gehören. Wie aber unsere Beispiele gezeigt haben, können unsere mentalen Vorgänge als Erfahrungsgegenstände anscheinend immer noch in einer ganz ähnlicher Sinne wie von (a) gedeutet werden; denn auch sie sind von der Erfahrung selbst prinzipiell abzukoppeln. Der Fehlschluß, das wir mentale Vorgänge nicht teilen können, entsteht eigentlich aus der Eindruck, daß diesen Vorgängen sich nur wie in die Deutung (b) verhalten können.
    Angenommen, daß wir trotz allen Argumenten die Möglichkeit einer Abkoppelung des Erfahrungsgegenstands von der Erfahrung im Fall der inneren Vorgänge ablehnen wollten. In diesem Fall, warum nicht diese Abkoppelung weiter zu leugnen? Warum nicht dem Idealisten, der diese Abkoppelung konsequenterweise auch bei der Beobachtung konkreter Gegenstände leugnet, Recht einräumen? Denn auch diese Gegenstände könnten dann nur als "private Erfahrung" angesehen werden, die immer noch zum Erfahrungsfeld gehören müssen. Jedoch, diese Verallgemeinerung des genannten Fehlschlusses würde zu der absurden solipsistischen Konsequenz führen, daß auch konkrete Gegenstände aus logischen Gründen nicht intersubjektiv beobachtbar sind, denn auch in diesem Fall wären die vom Subjekt erfahrenen geistigen Vorgänge logisch privat.

5. AUSWEG: EINE WIEDERAUFNAHME
DES PRIVATEN
Gestutz auf den Ergebnissen der bisherigen Überlegungen, kommen wir nun zu einem alternativen Lösungsvorschlag für den Bezug auf mentale Vorgänge.
    Wie wir schon gesehen haben, wir können zwar – aus rein kontingenten Gründen – nicht ganz sicher wissen, ob wir über korrekte Bezeichnungsregeln für unsere privaten mentalen Vorgänge verfügen; denn dafür wäre eine intersubjektive Prüfung erforderlich, wie Wittgensteins Beispiel machte. Aber wir dürfen vermuten, daß wir solche Regeln richtig anwenden, da die Überprüfung wenigstens prinzipiell nicht unmöglich ist. Mit anderen Wörtern: es ist zulässig, grammatische Verbindungen zum Privaten aufzustellen, die nur wahrscheinlich als solche gelten. Das scheint der Fall zu sein, wenn wir auf eine Empfindung zurückgreifen, um die ganz unterschiedlichen Verhaltensweisen A, B, C, D... rechtmäßig unter dieselbe sprachliche Bezeichnung 'X' (z.B. 'Ärger') zu subsumieren; diese Subsumption geschieht aufgrund einer mutmaßlichen Bezeichnungsregel, die sich auf ein Privates x bezieht. Dies scheint klar auch bei konkreten Beispielen: wenn jemand mir eine Aspirintablete gibt, damit meine leichten Kopfschmerzen beseitigt werden, verwenden wir die Regel "Leichte Kopfschmerzen werden häufig von Aspirin beseitigt", die ein offenkundigen mutmaßlichen Bezug auf Privates enthält. Ich nehme die Aspirintablete und, anhand diese Regel und die private Feststellung „Ich habe Kopfschmerzen“, ziehe ich den Schluß, daß sie verschwinden werden, ein Schluß, daß sich auf induktive Erfahrung basiert. Hier wie woanders, die Annahme des Privates ermöglich korrekte Vorhersagen, welche die induktive Wahrscheinlichkeit der Annahme verstärken; und die Tatsache, daß auch bei anderen ähnlich vorgeht, macht wahrscheinlicher, daß wir unsere Kopfschmerzen ähnlich identifizieren und fühlen. Man sieht hier wie ein Gewebe von induktiven Wahrscheinlichkeiten, die sich einander verstärken, beginnt sich zu stricken, und schließlich feste Überzeugungen ausmacht.
   Unter dieser Betrachtung bleibt zwar nicht unmöglich, daß die Menschen ihre Kopfschmerzen immer falsch wiedererkennen und daß die vorige Regel also falsch ist (Vgl. PU 270). Es ist wahr, daß solche Wahrscheinlichkeiten, aus kontingenten Gründen, im Bezug auf intersubjektiven Überprüfungen der Richtigkeit der Regeln nicht gemessen werden kann; sie scheint aber im Rahmen der logischen Grundrisse unseres Weltbildes vollig annehmbar zu sein.
     Es handelt sich also dabei um als sehr sicher empfundene Hypothesen, welche unsere Handlungen bestimmen. Da sie prinzipiell zu intersubjektiv gewährleistetem Wissen gemacht werden können, besteht entgegen Wittgenstein kein logisch-begriffliches Hindernis, unseren Glauben an sie beizubehalten. Ein mutmaßlicher Bezug auf Privates in unserer mentalistischen Sprache ist also herstellbar; und eine Privatsprache ist logisch möglich13, auch wenn sie nur in einem begrenzten Sinne eine Sprache sein könnte.
     Unter dieser neuen Perspektive sind die durch unsere mentalistische Sprache bezeichneten inneren Vorgänge in ähnlicher Weise privat wie ein ganz neuartiger Gegenstand, der nur durch ein Fernrohr entdeckt wird, sofern das Fernrohr jedesmal nur von einem einzigen Beobachter benutzt werden kann. Was die verschiedenen Beobachter unter gleichen äußeren Umständen (Zeitspanne, Position des Fernrohrs, usw.) sehen, könnte von ihnen, falls der Gegenstand bereits bekannte Eigenschaften aufweisen würde, mit Bezug auf jene Eigenschaften beschrieben werden. Da der Gegenstand aber ganz neuartig ist, können sich die Beobachter nur noch gewisser sprachlicher Hilfsmittel bedienen, wie z.B. Analogien, die sich auf das beziehen, was sie schon in öffentlichen Situationen intersubjektiv erfahren haben; auch dann also könnten sie sich letztendlich auf eine mutmaßlich gemeinsame Bezeichnungsregel einigen. Es scheint nun, daß wir aus eine sehr ähnliche Weise auch den mutmaßlichen intersubjektiven Bezug auf unsere mentalen Vorgänge festlegen, wie z.B. auf Schmerzen; mit Hilfe von Ausdrücken wie "pulsierende", "starke", "dumpfe", "stechende" Schmerzen usw., die Analogien zu intersubjektiv erfahrbaren Vorgängen herstellen, erläutern wir einander die Art der Schmerzen, und dies auch mit Bezug auf gewissen äußeren Umständen, wie kriteriellen Verhaltensweisen (Stöhnen usw.), Strukturen (ein Mensch, das ein Magen hat), Situationen (einer Prüfung), kausale Beziehungen (aufgrund der Streßsituation kriegte er Magenschmerzen) usw. Wir legen dadurch private Bezeichnungsregeln mit höher Wahrscheinlichkeit fest. Wir gebrauchen die öffentliche Sprache, um analogische Hinweise über das Private zu geben; und es läßt sich vermuten, daß wir von Natur aus mit Dispositionen ausgestattet sind bzw. solche entwickeln, um diesen Hinweise zu folgen und die darauffolgenden Schlüsse anzuerkennen. Im Vergleich zu öffentlichen Regeln erscheinen solche Regeln freilich als hypothetisch, weil sie sich nur mutmaßlich zu derselben privaten Vorgänge anwenden lassen; aber ihre relative Wahrscheinlichkeit kann sich auch erhöhen, sofern sie mit neuen äußeren Faktoren in Einklang gebracht wird.
     Man wird vielleicht noch einwenden, daß der Vergleich mit einem durch ein Fernrohr beobachtbaren Gegenstand nicht gültig ist, da unsere inneren Vorgänge zu einer ganz anderen Kategorie als die der physikalischen Gegenstände gehören, nämlich zu der des Mentalen. Aber es ist ein grundloser Einwand die Behauptung, daß diese Kategorie unserer üblichen  epistemischen Regeln entzieht.
     Fassen wir kurz zusammen: da das Privatsein keine wesentliche Eigenschaft von Mentalem ist, läßt sich annehmen, daß unsere mentalistische Sprache kontingent private Bezüge hat; es läßt sich annehmen, daß Bezeichnungsregeln, die auf private, innere Vorgänge Bezug nehmen, in unserer Alltagsprache mit Hilfe von öffentlichen Verhaltenskriterien und Analogien formulierbar sind. Diese Regeln haben jedoch – immer in Vergleich zu intersubjektiv überprüfbaren Regeln – nur einen hypothetischen Status, sofern sie die Bedingung intersubjektiv gewährleisteten Wissens nicht erfühlen, da wir praktisch nicht imstande sind, sie auf diese Weise zu überprüfen. Wir können also nur vermuten, daß wir uns alle mit dem Wort 'Schmerz' auf dasselbe unangenehme Gefühl beziehen; daß wir alle mit dem Wort 'rot' auf dieselbe oder eine sehr ähnliche Farbempfindung referieren. Und so ist es in der Tat, denn die Gewißheit hier ist freilich nicht so groß wie bei unserer gemeinsamen Feststellungen bezüglich der Außerwelt. Daß wir einen gemeinsamen sprachlichen Zugang zu gleichartigen inneren Vorgängen haben, ist nur noch eine unter jenen induktiv gestützte aber als solche praktisch nicht abschließend zu bestätigt lebenswichtigen Annahmen, die die Grundrisse unseres Weltbildes ausmachen14.



Anmerkungen:

1  Es ist zu bemerken, daß das Gedächtnis bei dem Argument eine ganz zufällige Rolle spielt. Auch gleichzeitig könnte x1 ein Gefühl in der linken Seite des Kopfes des Privatsprechers sein und x2 das gleiche Gefühl in der rechten Seite seines Kopfes. Die Frage wäre dann: wie kann er wissen, daß das Gefüll wirklich das gleiche ist? Sicherlich nicht mit Hilfe intersubjektiver Überprüfung. Diese räumliche Version des Arguments der Privatsprache wurde schon mit recht als eine reductio ad absurdum des Arguments vorgeschlagen (Siehe: H. Robinson: Perception, London 1994, S. 117).
2  Ich gebrauche das Wort 'Regel' weder im Sinne eines Regelausdrucks noch in einem realistischen Sinn, sondern im nominalistischen Sinne, nämlich, eher als type von Handlungen der Regelverwendung: als eine Klasse (aktueller und möglicher) gleichartiger Handlungen. Deswegen, wenn die Gleichartigkeit dieser Regelbefolgungen nicht überprüfbar ist, kann auch die Regel selbst nicht überprüft werden.
3  Vgl. N. Malcolms Deutung in seinem klassischen Aufsatz „Wittgenstein's Philosophical Investigations“, in: G. Pitcher (Hrsg.): Wittgenstein: The Philosophical Investigations, London 1968, S. 68 f.
4  L. Wittgenstein: Blue Book, Oxford 1975, S. 53 f.
5  G. Frege: „Sinn und Bedeutung“, Zeitschr. f. Phil. u. Phil. Kritik, 1892, S. 30.
6  A. J. Ayer: „One's Knowledge of Other Minds“, S. 196, in: Philosophical Essays, London 1972 (1954). Heute wird man dagegen in zunehmendem Maße mißtrauischer gegenüber der These der notwendigen Privatheit des Mentalen.
7  P. F. Strawson: Individuals, London 1959, S. 97.
8  Angesichts seiner Betrachtungen über die Nichtbesitzbarkeit von privaten Empfindungen, wonach kein Identitätskriterium dafür gibt, könnte Wittgenstein einen solchen Grundsatz für sinnlos halten (Vgl. PU 253). Aber als implizit Schritt des Arguments gegen die Privatsprache müßte er den Grundsatz akzeptieren, denn der ganzen Gedankengang ist hypothetisch. Er lautet: Falls die traditionelle Auffassung des Bezugs auf mentale Vorgänge wahr wäre (er hält sie für falsch), müßte sie notwendigerweise den LUM-Prinzip annehmen; aus dieser Annahme folgt jedoch, daß eine private Sprache logisch unmöglich ist, daß also die traditionelle Auffassung selbst nicht gilt. (Später in diesem Aufsatz wird deutlich gemacht, daß solche Betrachtungen über die Nichtbesitzbarkeit nicht gelten, sofern Identifikationskriterien für Empfindungen gefunden werden können.)
9  Diese Erklärungsweise legt auch den widersprüchlichen Charakter der Auffassung nahe, daß die kriterielle Verbindung "schwächer als eine logische und stärker als eine induktive Verbindung" sein würde, denn zwischen 1 und 1 gibt es keine Zahl, der weder = 1 noch 1 ist. (Vgl. A. Kenny: "Criterion", in P. Edwards: The Encyclopedia of Philosophy, Oxford 1969, vol. 2).
10 Vgl. S. Shoemaker: Self-Knowledge and Self-Identity, Ithaca 1963, und auch E. Tugendhat: Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung, Frankfurt 1979. 
11 H. Putnam: „The Nature of Mental States“, in: Mind, Language and Reality, Cambridge 1975, S. 438.
12 Die positivistische Versuche, das Verifikationsprinzip formal zu präzisieren, sind offenbar gescheitert. Aber eine intuitive und lockere Auffassung des Prinzips, wonach z.B. ein sinnvoller Aussagesatz mindestens auf die logische Möglichkeit öffentlich erfahrbarer Rechtfertigungen hinweisen muß, wird nicht nur von Wittgenstein zugelassen (PU 253); sie würde noch heute eine weite Anerkennung erhalten (Vgl. z.B. C. J. Misak: Verificationism: its History and Prospects, London 1995).
13 Logisch, nicht empirisch; denn, wie andere Argumente gezeigt haben, sind wir Menschen so beschaffen, daß wir Bezeichnungsregeln von mentalen Vorgängen nur innerhalb einer Sprachgemeinschaft lernen können (Vgl. R. J. Fogelins Interpretation in: Wittgenstein, London 1987, cap. XII).
14 Eine andere derartige Annahme wäre die der Wirklichkeit der Außenwelt.
   Es ist leicht zu sehen, daß aus einer solchen Betrachtungsweise auch andere epistemische Folgerunge, z.B. über die Erkenntnisweise fremdpsychischer Vorgänge, unmittelbar gezogen werden können.


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